Hifi-Setup früher: Receiver, Kassettendeck, CD-Spieler, Plattenspieler. Heute gibt es aber mehr Medien, insbesondere Bluetooth-, aber auch Netzwerk-Streams sowie die Audiokanäle von irgendwelchen Bildübertragungen. Natürlich muss ein Receiver nicht auch gleich als HDMI-Verteiler dienen, doch in diesem Fall sage ich: Mir fällt kein Grund ein warum nicht!
Die Ausgangslage
Meine Ausgangslage dürfte ziemlich typisch sein: Alte Hifi-Anlage mit klassischem Verstärker, Denon PMA 510. Freilich ohne Kassettendeck, dafür ist sie nicht alt genug – und nicht neu genug, Kassetten kommen ja wieder! Der Denon-Verstärker war ein simples, typisches Stereo-Gerät mit Ausgängen für zwei Lautsprechrepaare und den üblichen analogen Eingängen.
Nach rund 14 Jahren hat er irgendwann angefangen die Quellen immer wieder mal umzuschalten, dank lautem Knacken würde ich auf ein defektes Relais tippen. Reparatur sicherlich möglich, aber nicht trivial. Das Gefrickel mit Bluetooth-Sendern und -Empfängern, fehlender Netzwerkanschluss, analoge Übertragung vom TV-Ton … alles nicht schön.
Als Ersatz war schnell der Quasi-Nachfolger meines alten Denons auserkoren, der PMA-600. Das wäre ein 1:1-Ersatz gewesen.
Zufällig bin ich dann über den DRA-900H gestolpert. Zufällig, weil ich eben bei Hifi-/Stereo-Geräten gesucht habe, nicht bei Audio-Video-Geräten. Der DRA-900 ist ein 2.2-Receiver, also ein Stereo-Receiver für zwei Boxenpaare, wie gehabt.
Der PMA-600 kostet bei Denon 470 Euro, in der Praxis rund 400 Euro. Der DRA-900 liegt bei Denon bei 900 Euro – und ist im Laden für 440 Euro zu bekommen! Klar, UVPs sind von vornherein Augenwischerei, nur dazu gedacht, Konsumenten Rabatte anbieten zu können, aber dass ein 900-Euro-Denon-Verstärker mehr kann als ein 470-Euro-Denon-Verstärker dürfte wohl klar sein.
Gut, freilich könnte das reine Musik-Gerät besser für Musik optimiert sein, sogar bessere Schaltkreise und Bauteile beinhalten, aber wir sind hier so weit weg von audiophilem Equipment, dass das wohl kaum eine Rollen spielen würde. Und wer jetzt einen audiophilen Ausstieg sucht, hier mein großer Hi-Res-Rundumschlag.
Was Features angeht, reden wir hier aber über eine ganz andere Liga:
- Bluetooth-Sender und -Empfänger
- Netzwerk-Streaming via UPnP oder Freigaben
- Abspielen vom USB-Datenträger
- LAN und WLAN
- Digitale/optische Eingänge
- Phono-Anschluss
- Radio via FM oder DAB+
- Multi-Room
- App-Steuerung
- Kommandozeilen-API
- Separater Subwoofer-Anschluss
- Großes Display
- Myriaden Einstellungsmöglichkeiten
- Anbindung von Alexa, Spotify, Tidal, Amazon Music
- DLNA-kompatibel
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Und dann die Einrichtung …
Hifi-Setup früher: Zwei Paar Cinch- und Lautsprecherkabel anschließen, einschalten, fertig – Plug&Play in Bestform. Das ist bei einem modernen und zudem Video-tauglichen Receiver nicht mehr so. Ein Stündchen zum Einrichten muss man einplanen. Nun, eher zwei bis drei, sofern man nicht ständig mit Technikkram zu tun hat.
Beim Fernseher gab es hier gleich das erste Problem: Der ARC-Part vom HDMI-ARC-Anschluss wurde nicht erkannt, obwohl mein TV laut eigenen Angaben auf jedem HDMI-Anschluss ARC unterstützt. Und falls Ihr das nicht kennt: Über diesen Audio-Rückkanal könnte der Receiver nicht nur sein Bild auf den TV bringen, sondern eben auch dessen Audio bekommen und abspielen. Die Lösung präsentiert Denon aber vorbildlich im Setup-Menü selbst: Ein separater digitaler Audio-Anschluss per Coax- oder optischem Kabel und eine manuelle Zuordnung dieses Audio-Anschlusses zum TV-HDMI-Anschluss.
Überhaupt, das Boxen-Setup: Dem Gerät muss mitgeteilt werden, ob es sich um ein oder zwei Paar Boxen handelt. Und, ob ein Subwoofer genutzt wird. Und wo die Boxen stehen. Bei Musik ist das alles nicht so wichtig, aber ein AV-Receiver hängt natürlich auch am TV und verteilt Video-Signale – da spielt es eben doch eine Rolle.
Dann das Netzwerk: Anschluss ans WLAN hat zwar auf Anhieb geklappt, aber die Eingabe eines guten Passwords (lang, Sonderzeichen, Großbuchstaben) per Fernbedienung ist die Hölle. Besser: Kurz nach Inbetriebnahme ging es schon nicht mehr, vielleicht wegen eines Updates. WLAN war aber eh wider besseres Wissen im Einsatz – Kabel sind besser. Und per ordinärem RJ45-Anschluss funktioniert nun alles reibungslos.
Anmerkung: Denon weist übrigens darauf hin, dass es bei gleichzeitiger Nutzung von Bluetooth- und WLAN-Übertragungen zu Störungen kommen könnte – von daher ist ein Kabel ebenfalls die bessere Wahl.
Und weiter geht’s mit Apps: Ihr “braucht” gleich zwei davon. Zum einen die HEOS-App zum Streamen und für Multi-Room-Audio. Zum anderen die Denon-AVR-App zum Konfigurieren des Receivers; im Grunde einfach eine Fernbedienung für die Setup-Oberfläche am TV. Super: Keine Konten nötig, alles funktioniert sofort – lange nicht mehr gesehen! Mooooment … nicht mehr einen Tag später, super. HEOS hat dann plötzlich doch entschieden, dass ich ein Konto einrichten muss.
HEOS
Die HEOS-App ist die eigentlich wichtige App. Zu Multi-Room kann ich nichts sagen, ist hier nicht im Einsatz. Aber die App dient auch dazu, DLNA-Streaming-Server im Netz zu steuern, also zum Beispiel Mini DLNA (wie auf meinem Eigenbau-NAS) auf einem Raspberry Pi, die Fritzbox, ein Kodi-Mediacenter oder ein aufgebohrtes foobar2000 auf dem Windows-Desktop.
Die App ist kein Totalausfall, aber wieder mal weit weit entfernt von einem guten Media-Player. Das beginnt mit der unaufgeräumten Startseite, die mehr an eine Streaming-Dienst-App erinnert, für die man noch kein Konto angelegt hat. Es gibt da zum Beispiel eine Grafik über knapp eine ganze Display-Seite, die verlauten lässt: “Holen Sie das Beste aus HEOS heraus – Mehr Musik hinzufügen.” Solche Dinge gehören in ein Menü …
Für mich die wichtigste Funktion: Steuerung meines Streaming-Servers. Dafür muss man erstmal nach gaaaaanz unten und dann nach ganz rechts wischen, schon lästig. Die Navigation in der Bibliothek funktioniert einwandfrei und auch Player und Playlist sind gut umgesetzt. Blöd ist aber, dass man immer wieder mal aus der Ordner-Struktur raus muss (für andere Funktionen der App) und es dann keinen Weg zurück zum zuletzt besuchten Album gibt. Man darf also immer wieder neu navigieren: Startseite/Quellen/Medienserver/Mein-Media-Server/Interpreten/Mr. Singer/Album 1. Das bringt einen nicht um, nervt aber.
Man kann über die App auch andere Wiedergabequellen wählen, beispielsweise den CD-Player, und bekommt dann auch die übliche Ansicht mit Cover und Play-/Stopp-Tasten. Und jetzt denkt mal kurz nach … Der CD-Spieler hat zwei Anschlüsse: Stromkabel und Cinch-Kabel zum Receiver. Wie soll nun bitte die App den Player steuern? Klar, geht nicht. Vielleicht würde es mit digitalem Anschluss und bestimmten Modellen funktionieren. Oder bei Receivern mit integriertem CD-Spieler. So ist die App einfach sinnlos vollgestopft.
Aber grundsätzlich kann man damit arbeiten. Muss man aber nicht.
UPnP ist super!
Denon-Netzwerkgeräte sind erfreulicherweise UPnP-kompatibel – Ihr könnt also auch mit anderen Apps herumspielen. Was genau es mit DLNA/UPnP auf sich hat, haben wir früher schon mal abgefrühstückt. Daher hier nur ganz kurz: Es gibt UPnP-Server, -Renderer und -Controller. Der Renderer spielt die Medien ab – und ist hier der Denon-Receiver. Der Server kann wie oben erwähnt alles Mögliche sein, bei mir zum Beispiel Mini DLNA auf einem Linux-Mini-Rechner.
Die HEOS-App fungiert in so einem Setup als Controller: Ihr steuert, was vom Server auf dem Renderer landet. Perfekte Lösungen sind selten, aber hier zwei kurze Empfehlungen:
Android: BubbleUPnP funktioniert hier reibungslos, ist in der kostenlosen Version aber beschränkt. YAACC ist Open Source und hat hier früher gute Dienste geleistet, funktioniert mit dem Denon aber zumindest hier nicht – probiert es selbst, wenn es läuft eine gute Alternative.
Windows: Kinsky ist Open Source, für Windows verfügbar, sehr schlank gehalten und funktioniert meist recht gut (wird aber wohl nicht mehr gepflegt). Leider kommt es immer wieder mal vor, dass die Anmeldung am Denon nicht klappt und die Kontrollen zum Abspielen sind grotesk schlecht (dümmliches Design und funktionieren wollen sie auch meist nicht). Vermutung: Der ganze UPnP-Kram mit etlichen Apps führt zu Problemen was Status und Playlisten betrifft. Im Zweifelsfall hilft meist die HEOS-App, die ist zumindest zuverlässig!
Es gibt Dutzende UPnP-Tools, alle bringen Problemchen mit (vermutlich zumindest 😉 ). UPnP ist nicht so super wie es sein könnte.
Tipp: Wenn es Euch irgendwie möglich ist, den PC per HDMI an den Receiver anzuschließen, tut das – dann kann eine beliebige Software als Controller und Renderer dienen und den Receiver schlicht mit Audio-Daten versorgen.
Klang, Verarbeitung
Hier muss ich es kurz machen, denn um hier belastbare Aussagen machen zu können, müsste ich messen können und das Teil auseinanderbauen – ich bräuchte also ein Labor.
Aus Nutzersicht: Die Verarbeitung von Knöpfen und Anschlüssen ist einwandfrei und deutlich besser als beim alten Audio-Verstärker! Auch wenn man meist wohl eher per App steuern dürfte.
Der Klang ist einwandfrei, sowohl die Canton-GLE-490-Standboxen als auch die Bowers-&-Wilkins-PX8-Bluetooth-Kopfhörer und meine geliebten Beyerdynamic DT990 klingen sehr gut, merkwürdige Artefakte oder Übersteuerung von Höhen/Mitten/Tiefen kann ich hier nicht feststellen. Nun, die PX8 müssen immer erstmal angepasst werden, da sie wie fast alle BT-Kopfhörer in Werkseinstellungen dem dümmlichen Massengeschmack entgegenkommen und die Tiefen viel zu sehr betonen. Was habt Ihr Banausen da draußen eigentlich alle für einen Bass-Fetisch? Die Audio-Version eines Mäcces-Burgers …
Gesamteindruck
Zunächst mal ganz wichtig für Besitzer von Old-School-Receivern: Auch wenn es heute 2.2 heißt, es ist ein normaler Stereo-Receiver. Und die Updates, die man nie unbedingt wollte, will man schnell nicht mehr missen: Netzwerk-Streaming, DAB+, digitale Eingänge – großartig. Auch dass Bluetooth sowohl für Empfang als auch Senden dabei ist, macht das Leben deutlich einfacher.
Was die Video-Funktionen angeht: Ja, auch ich wollte eigentlich nur Audio. Der Preis hat mich zum AV-Gerät gebracht und auch das lohnt sich – sofern die Stereo-Boxen wie hier neben dem TV stehen versteht sich. Das Umschalten zwischen HDMI-Geräten geht per Receiver zum Beispiel wesentlich fixer als es bei meinem etwas betagten Philips-Fernseher.
Und das bringt natürlich auch eine TV-Oberfläche mit sich. Die ist nicht nur nützlich zum Konfigurieren, sondern auch, um mittels physischer Fernbedienung auf Streaming-Inhalte zuzugreifen – ganz ohne Smartphone und Apps.
Der Einrichtung ist wesentlich aufwändiger als bei reinen Audio-Gerätschaften, aber im Alltag, beim Abspielen von Platten und CDs, merkt man kaum einen Unterschied. Erst wenn es ans Streaming geht muss man mehr Hirnschmalz investieren als früher.
Ich kann den DRA-900H jedenfalls guten Gewissens empfehlen, wenn es um den Ersatz eines Old-School-Receivers geht – die Streaming-Funktionen und digitale Eingänge wird jeder zu schätzen wissen, die Video-Funktionalität ist mindestens ein nettes Extra, eine Option für die Zukunft.
Bonus: Kleinigkeiten
Ein Blick in die Bluetooth-Hölle: Bluetooth für Audio ist gut und schön, aber für Video? Trotz AptX Adaptive oder LL lässt sich bei Bluetooth wieder und wieder ein Lag feststellen, ein Versatz, der Lippensynchronität abtötet. Denon macht das eigentlich ganz clever: Zum einen wird versucht, den Versatz automatisch auszugleichen, was ganz gut klappt. Zum anderen gibt es über die Optionen-Taste Schnellzugriff auf manuelle Anpassung des Versatzes – und der Receiver merkt sich den eingestellten Versatz fürs nächste Koppeln auch.
Euer bester Freund für das Feintuning: Audio-Sync-Videos bei Youtube.
Obskure Kleinigkeit: Auch mein PC hängt am Receiver und nach 20 Minuten mit diesem als Quelle schaltet sich der Fernseher aus – warum auch immer. Ich vermute, dass er nicht merkt, dass ein Signal rein kommt. Andererseits: Wenn ich ihn sofort wieder einschalte, bleibt er an. Der Receiver zeigt das Verhalten an keinem anderen Anschluss und der Fernseher in keinem anderen Modus.
Die Fernbedienung ist übersichtlich, hat alle nötigen Buttons, hätte allerdings gerne etwas hochwertiger ausfallen dürfen. Ein wenig Metall wäre nett gewesen, vernünftige Druckpunkte wären angemessen.
UPnP-Tipp: Wenn man so wie ich etliche Apps testet, muss sich der Receiver fühlen, als würde ihn ein Dutzend Menschen gleichzeitig volllabern. Just im Moment spiele ich zum Beispiel ein Album via Kinsky ab – aber sobald ein Titel vorbei ist, wird ein Titel eines ganz anderen Albums abgespielt, das ich voher mit BubbleUPnP angespielt habe. Nach ein wenig Sucherei: BubbleUPnP wird nur dann wirklich (!) beendet, wenn man das über dessen Menü erledigt. Ansonsten verschwindet die App zwar komplett aus der Oberfläche, taucht aber wieder auf, sobald der nächste Titel dran ist und mischt sich dann in die Kinsky-Playlist ein. Kann genauso gut an Kinsky liegen, der Doku des DLNA-Plugins für foobar2000 konnte ich entnehmen, dass offenbar nicht alle UPnP-Tools Manipulationen von außen verstehen …, aber das geht jetzt zu weit 😉
Also lasst Euch nicht nerven, wenn hier Dinge bisweilen durcheinander kommen und beschränkt Euch auf möglichst wenige Apps.