Herr Butzmann, kaum jemand kam der Ampel-Regierung so nahe wie Sie. Sie waren seit den Koalitionsverhandlungen 2021 bis jetzt als Fotograf dabei – sowohl im Auftrag der Parteien selbst als auch für Medien wie den „Spiegel“. Hat Sie der Bruch überrascht?
Ja, schon. Ich habe es so wahrgenommen, dass sich die Protagonisten der Ampel bis zum Schluss alle ganz gut verstehen und respektieren.
Wirklich? Den Machtverfall konnten Sie nicht in den Gesichtern der Beteiligten ablesen?
In den Gesichtern konnte man vor allem ablesen, dass es für alle ein furchtbarer Stress war. Doch das war bereits seit dem Beginn des Ukrainekriegs in vielen Gesichtern massiv sichtbar.
Wie sieht massiver Stress in einem Politikergesicht aus?
Spuren von wochenlangem Schlafmangel, dicke Augenringe. Ständiges tiefes Durchatmen. Ich sehe oft Menschen mit tiefen Stirnfalten, die zwei bis drei Handys festhalten und abwechselnd auf ihnen tippen. Es sind häufig die Menschen in der zweiten Reihe, die noch mehr unter Druck stehen als etwa die Ministerinnen und Minister.
Ich interessiere mich dafür, was Politik aus den Menschen macht – sehen Sie sich mal diese armen Gestalten an, die bei den Haushaltsverhandlungen nachts um vier Uhr im fahlen Licht an den Kopierern stehen.
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Bleiben diese Spuren für immer?
Es gibt die Möglichkeit der Erholung, das schon. Generell treiben Politikerinnen und Politiker nach meiner Beobachtung heute mehr Sport und essen gesünder als noch die Generation davor. Die meckernden, rauchenden Dinosaurier sterben langsam aus.
Sie haben neulich Angela Merkel porträtiert. Konnte sie nach der Kanzlerinnenschaft regenerieren?
Merkel sah super aus. Richtig gut und erholt.
2013 haben Sie Merkel für ihre Wahlkampagne fotografiert. Sie haben erzählt, Sie hätten sich „wochenlang“ darauf vorbereitet. Wie geht das?
Heute existieren von jedem Politiker Millionen Fotos, damals gab es gar nicht so viel Material. Ich habe mir meine älteren Bilder von ihr ganz genau angeschaut und mit einem Licht-Modell ausprobiert, wie ich ihre Augen zum Leuchten bringe. Ich mag das kleine Lächeln, wenn sie triumphiert. Das ist schon bezaubernd.
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Merkel wollte nicht im Profil fotografiert werden, Ihnen ist es dennoch gelungen.
Ich habe es beim Umbauen des Settings einfach gemacht. Sie wollte nicht wie die Queen auf der Briefmarke aussehen. Als sie das Bild dann gesehen hat, fand sie, dass sie müde wirke.
Susan Sonntag hat mal gesagt: „To photograph people is to violate them, by seeing them as they never see themselves, by having knowledge of them that they can never have …“ Ist da was dran?
Da gehe ich mit! Ein Porträt ist immer ein Gewinn, wenn es den Betrachter verändert, und das geht nur, wenn das Bild eine neue, andere Information enthält, die über eine pure Abbildung hinausgeht. Ich versuche immer, an dem nach außen getragenen Selbstbild vorbeizufotografieren.
Wenn sich da zwei Politiker vor einem hässlichen Bild einer EU-Flagge die Hand schütteln, ist das natürlich von vorne bis hinten eine gestellte und inszenierte Szene.
Dominik Butzmann, Fotograf
War es leichter, Angela Merkel zu porträtieren als Olaf Scholz?
Merkel hat in unseren Shootings gezeigt, dass sie ein sehr herzlicher und freundlicher Mensch ist. Ich weiß, dass auch Olaf Scholz offener sein kann, aber bei unseren Terminen hat er das stecken lassen.
Der Kanzler wirbt mit seiner „Besonnenheit“ für sich. Für die Bildsprache denkbar öde.
Ich versuche die Menschen so zu fotografieren, wie sie sind. Ich lege mich nicht vorher fest, ein besonnenes Bild zu machen. Bei unserem Shooting auf dem Dach des Kanzleramts hat er keine Posen eingenommen. Er hat sich einfach hingestellt und fertig. Einen Zusammenhang zwischen persönlicher Wirkung und politischer, öffentlicher Wirkung sehe ich nicht.
Klingt unspektakulär, dabei sagt Ihr Kollege Maurice Weiss, Politiker-Fotografie gleiche einer Theaterinszenierung.
Ich war gerade mit Robert Habeck in Brüssel. Wenn sich da zwei Politiker vor einem hässlichen Bild einer EU-Flagge die Hand schütteln, ist das natürlich von vorne bis hinten eine gestellte und inszenierte Szene. Sie symbolisiert aber das Treffen zweier demokratisch gewählter Personen. Eigentlich schütteln sich da also gerade 6.000 Personen auf der einen und 8.000 Personen auf der anderen Seite die Hände.
Trotzdem haben Sie die Macht, Politiker in ein gutes Licht zu rücken …
… das sehe ich nicht so. Das Image von Politikern wird von einer rasanten und aggressiven Öffentlichkeit geprägt. Fotos von Politikern können nur eine politische Idee verstärken. Ich versuche, zu zeigen, was da ist.
Macht es einen Unterschied, ob Sie im Auftrag der Bundesregierung oder für Medien arbeiten?
Es kam schon vor, dass ich Politiker am Mittwoch für den „Spiegel“ fotografiert und am Freitag ein Kampagnen-Shooting gemacht habe. Das sind für mich aber unterschiedliche Situationen, wobei ich immer Wert darauflege, freie Hand bei meiner Arbeit zu haben.
Ich würde sogar sagen, dass ich für Medien mehr inszeniere, denn dann habe ich den klaren Auftrag für ein Porträt. Wenn ich Politiker oder Parteien begleite, erhöhe ich die Distanz zu den Personen. Ich versuche, die Momente zu erwischen, die erzählerisch wirken.
Wenn eine Person den Finger in der Nase hat, beschreibt sie das aber nicht.
Dominik Butzmann, Fotograf
Die bildende Kunst wollte Historisches dokumentieren, etwa wenn Könige gekrönt wurden. Sehen Sie sich da in der Tradition von großen Malern?
Nein. Gemälde, die im Auftrag für Königshäuser angefertigt wurden, waren Zerrbilder. Da wurden die Monarchen 30 Jahre jünger, schlanker und schöner gemacht und im Hintergrund gab es einen blauen Himmel mit Schäfchenwolken.
Das geht doch heute auch alles. Wie viel Bildbearbeitung gönnen Sie sich und anderen?
Natürlich bin ich einer Wahrheit verpflichtet. Man kann Bilder etwas bearbeiten, aber ich garantiere meinen Kunden, dass ich niemals Bilder mache, die manipuliert sind.
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Wo verläuft die Grenze?
Aus dem Bild darf nichts rausgenommen und es darf nichts reingetan werden. Ich fände es verwerflich, einen Gesichtsausdruck zu verändern. Ich habe versucht, in den letzten 20 Jahren meinen Bildern einen farblich-ästhetischen Schliff zu geben. Kunden buchen mich wegen dieser Bildsprache, und weil das Vertrauen gewachsen ist.
Gibt es Momente, in denen Sie Hemmungen haben, zu fotografieren?
Es war eine Zeitlang in Mode, dass Politiker möglichst peinlich abgebildet werden. Wenn man lange genug wartet, findet man auf jedem Parteitag Situationen, die albern wirken. Wenn eine Person den Finger in der Nase hat, beschreibt sie das aber nicht.
Beliebt sind auch Bilder, in denen sich Politiker Häppchen in den Mund stecken.
Das würde ich auch fotografieren, es darf ja auch mal lustig sein. Es gibt von mir ein bekanntes Bild, auf dem sich Robert Habeck einen Corona-Test in die Nase pfeift und sein Gesicht schmerzverzerrt ist. Das war ein Zeichen der Zeit. Das war der Schmerz, den wir alle aushalten mussten. So einen Moment wollte ich festhalten.
Das berühmteste Bild der Ampel wurde nicht von Ihnen, sondern von den Protagonisten selbst gemacht: das viel besprochene Selfie. Schmerzt Sie das?
Naja, das war ja nur für Social Media gedacht …
… es wurde aber auch in allen Zeitungen gedruckt.
Das Selfie sollte den Beweis liefern, dass die anwesenden Personen wirklich nach Gemeinsamkeiten suchen. Da können sie ja nicht erst einen Fotografen anrufen.
Bei den Koalitionsgesprächen durften Sie dann als einziger Fotograf hinter die Kulissen blicken. War da der Dauerstreit, der folgen sollte, absehbar?
Nein, überhaupt nicht. In den zweieinhalb Tagen, an denen ich dabei war, haben sich Verbindungen aufgetan. Wir sehen gerade in den ostdeutschen Bundesländern, wo populistische Parteien stark sind, wie schwer es den demokratischen Parteien fällt, noch Koalitionen auf die Beine zu stellen. Dabei ist der Kompromiss das Wesen unserer Demokratie. Deswegen macht es mich traurig, dass das Projekt Ampel jetzt beendet ist. Diese dialogbereiten, klugen Demokraten hätten es eigentlich hinbekommen müssen.
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Das klingt nach einer persönlichen Enttäuschung.
Nein, nein, nein. Wie soll ich persönlich enttäuscht sein? Persönlich enttäuscht bin ich im Privaten oder im Kollegenumfeld vielleicht mal, aber doch nicht von Politikern. Das mit der Nähe ist ein Mythos. Um jemanden gut zu beschreiben, brauch ich Distanz.
Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Menschen, die Sie porträtieren?
Immer im Gespräch bleiben. Ich kann mich als Porträtfotograf nicht einfach hinter der Kamera verstecken. Worüber wir reden? Da gibt es kein Script. Das passiert immer sehr spontan, zumal Politiker meistens Redebedarf haben. Ich muss sie dann zum Schweigen bringen, weil sie sonst nicht so klug aussehen.
Wer war besonders schwierig?
Horst Seehofer. Er hatte ein ganz genaues Bild von sich im Kopf, das mit der Realität nicht übereinstimmte. Seehofer war stinksauer, als ich ihm Vorschläge für ein Bild gemacht habe. Das hat sich inzwischen verändert, Politiker werden kooperativer. Christian Lindner bietet zum Beispiel viel an. Nach einem Shooting hat er mich einmal gefragt: „Haben Sie alles?“ Fand ich als Fotograf charmant.
Es gibt immer wieder Kritik an den hohen Kosten, die Ministerien für Fotos ausgeben. Schließlich sind es Steuergelder, mit denen Politiker sich inszenieren.
Mit dem Begriff „Inszenierung“ habe ich Schwierigkeiten. Die Regierung beauftragt Fotografen damit, abzubilden, was passiert. Wenn ein Politiker hingegen einen Fotografen beauftragt, zu inszenieren und schönes Licht zu machen, dann ist das eine Kampagne, die von Werbeagenturen beauftragt wird. Da habe ich auch kein schlechtes Gewissen, jemanden toll aussehen zu lassen. Das ist mein Handwerk.
Annalena Baerbock hat für die Dienste der Agentur „Photothek“, für die Sie arbeiten, 2022 rund 178.765 Euro an Steuergeldern ausgegeben. Können Sie nachvollziehen, dass das manche aufregt?
Für mich ist es verletzend, wenn Fotografieren als überflüssige Kosmetik abgetan wird. Politisches Fotografieren ist eine anstrengende, gewissenhafte und spannende Arbeit, eher durchschnittlich bezahlt. Zudem seit Jahrzehnten in allen Bundesregierungen geübte demokratische Praxis, Teil dessen, was transparentes, greifbares Regieren ausmacht. Wir sind stolz auf das, was wir hier machen. Die Kritik daran ist rechte Polemik. Was man bei den Staatsausgaben einsparen sollte, ist Sache der Haushaltspolitik, nicht die Sache der Kreativen.
Wer zahlt besser: der „Spiegel“ oder die Bundesregierung?
Das ist ähnlich.
Wussten Sie schon immer, dass Sie Fotograf werden wollen?
Nein, ich habe erst einmal Politik und Literaturwissenschaften in Berlin studiert, weil ich schon immer Politik-Fan war und alle Entwicklungen sehr interessiert verfolgt habe. Bis heute ist es für mich toll, im Bundestag sein zu dürfen. Ich habe erst in den 90er Jahren ein Diplom zum Fotodesigner am Lette Verein gemacht. Damals hat man noch im Labor Abzüge gemacht und sich dabei kaputte Finger geholt.
Haben Sie die Digitalisierung als Pionier erlebt oder als Skeptiker?
Ich wollte immer sofort das Neueste haben, weil es mir mein Leben erleichtert.
Nun fotografieren Sie seit mehr als 20 Jahren vor allem Politiker. Wird das nicht irgendwann langweilig?
Mich fasziniert es, zu erleben, wie Politik gemacht wird. Ich meine nicht die Handshakes, sondern die nächtlichen Sitzungen bei schummrigem Licht in schrecklichen Hotels auf der ganzen Welt. Dort passiert diese kleinteilige Arbeit, und ich kann dabei sein.
Sie haben in dieser Legislatur Minister und Kanzler überall hinbegleitet. Gibt es da eine Ampelreise, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Das waren auf jeden Fall die Ukrainereisen mit Robert Habeck. Als Fotograf habe ich versucht, die Härte und Entschlossenheit festzuhalten, die Politiker bei so einem Besuch beweisen müssen.
Wo auf der Welt gibt es das beste natürliche Licht?
Wenn man ein bisschen guckt, findet man fast überall gutes Licht. Gestern war ich im Europäischen Parlament, in Brüssel. Das wirkt erst einmal wie die allerschlimmste Bürohölle, doch auch da gab es Ecken mit schönem Licht. Wenn ich mich aber festlegen müsste, würde ich das Licht kurz vor einem Gewitter nehmen.
Lässt sich das reproduzieren?
Ja, wie in einem Malersaal, einem nach Norden ausgerichteten Raum. Dort fällt das Licht indirekt durch Deckenfenster ein. Dieses Porträtlicht ist etwas, was mir, seit ich denken kann, im Kopf rumgeistert. Beim Gewitter ist es genau gleich: Auf der einen Seite ist der Himmel nachtschwarz, auf der anderen Seite ist das Wetter typischerweise noch gut. Dadurch entsteht ein sehr fahles, aber wunderschön moduliertes Licht.