Marktbericht: Neue Hoffnung an der Wall Street


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Stand: 20.12.2024 22:22 Uhr

Etwas milder als erwartet ausgefallene Inflationsdaten haben den US-Börsen zum Wochenschluss Auftrieb gegeben. Auch der DAX profitierte von den US-Daten, blieb aber im Minus.

Wie stark derzeit alles an der Wall Street von der Zinsperspektive für das Land abhängt, haben die letzten Handelstage in aller Klarheit gezeigt. Nach milder als erwartet ausgefallenen neuen Inflationsdaten haben die Anleger heute wieder Morgenluft gewittert und bei Aktien zugegriffen.

Konkret stieg der Index für die persönlichen Konsumausgaben (PCE), das bevorzugte Inflationsmaß der Notenbank Federal Reserve (Fed), im November auf Jahresbasis um 2,4 Prozent und damit weniger stark als von Experten erwartet. Die NordLB schrieb in einem Kommentar, die Märkte nahmen diese Zahlen “mit einem gewissen Wohlwollen auf”.

Alle großen Indizes drehten nach zunächst schwächerer Eröffnung ins Plus. Der Leitindex Dow Jones gewann am Ende 1,18 Prozent auf 42.840 Punkte. Auch der marktbreite S&P 500 gewann gut ein Prozent, ebenso der Nasdaq Composite Index. Der Auswahlindex Nasdaq 100 stieg um 0,85 Prozent auf 21.289 Punkte.

Thema des Tages war erneut die Geldpolitik. Die US-Notenbank hat diese Woche ihre dritte Zinssenkung in diesem Jahr vorgenommen, prognostizierte für 2025 jedoch lediglich zwei Senkungen um jeweils einen Viertelprozentpunkt. Sie lag damit unter ihrer vorherigen Prognose von vier Senkungen, was die noch immer hohe Inflation aufzeigt. Anleger kehrten daraufhin den Aktienmärkten den Rücken. Auf Wochensicht verbuchte der Dow-Jones-Index Verluste von gut 2,2 Prozent.

“Vor dieser Fed-Sitzung war die Inflation kein so großes Problem, und dann teilte uns die Fed mit, dass wir diesen Kampf noch nicht gewonnen hätten”, sagte Mike Dickson, Anlageexperte bei Horizon Investments. Mary Daly, Präsidentin der Federal Reserve Bank von San Francisco, sagte, die Entscheidung dieser Woche zur Senkung der Zinssätze sei “knapp” gewesen, und schloss sich der Ansicht des Vorsitzenden Jerome Powell an, dass bei künftigen Schritten nun Vorsicht geboten sei.

Ein möglicher Shutdown in den USA trübte das Börsenbild nicht. Zwar droht dieser bald die Regierungsgeschäfte teilweise lahmzulegen, nachdem im Repräsentantenhaus ein neuer Gesetzentwurf für einen Übergangshaushalt scheiterte. “Mittlerweile steht das Thema halbjährlich auf der Agenda und die Börse hat sich daran gewöhnt”, relativierten die Experten von Index-Radar die Bedeutung.

Ob sich Republikaner und Demokraten bis zum Ablauf der Frist in der Nacht zu Samstag (Ortszeit) noch auf eine Lösung einigen werden, ist offen. Auslöser der Turbulenzen ist ein Blockade-Manöver des designierten Präsidenten Donald Trump und des Tech-Milliardärs Elon Musk. Deren Vorschläge wurden am Abend vom Kongress allerdings parteiübergreifend ebenfalls abgelehnt.

Unter den anderen US-Konjunkturdaten heute sind die wichtigen Konsumausgaben im November weniger gestiegen als erwartet. Zum Vormonat erhöhten sie sich um 0,4 Prozent, wie das Handelsministerium in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt einen Anstieg um 0,5 Prozent erwartet. Im Vormonat hatten die Konsumausgaben um revidiert 0,3 Prozent zugelegt. Die privaten Einkommen stiegen um 0,3 Prozent. Hier war ein Anstieg von 0,4 Prozent erwartet worden. Im Vormonat hatten die Einkommen um revidiert 0,7 Prozent zugelegt.

Die Stimmung der US-Verbraucher hat sich derweil im Dezember den fünften Monat in Folge aufgehellt. Das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima stieg zum Vormonat um 2,2 Punkte auf 74,0 Punkte, wie die Universität am Freitag nach einer zweiten Schätzung mitteilte. Damit wurde eine erste Schätzung bestätigt.

Die Erwartungen der Verbraucher trübten sich zwar ein. Gestützt wurde der Gesamtindex durch eine deutlich verbesserte Bewertung der aktuellen Lage. “Ein Grund für die erhöhte Unsicherheit sind die unterschiedlichen Erwartungen an die Folgen der anstehenden wirtschaftspolitischen Veränderungen”, sagte Joanne Hsu, Leiterin der Umfrage. “Die Befragungen im Dezember zeigten einen Anstieg des Anteils der Verbraucher, die glauben, dass langlebige Güter jetzt gekauft werden sollten, um höhere Preise in der Zukunft zu vermeiden.”

Der DAX hat zum Wochenschluss seine Korrektur fortgesetzt. Am Ende grenzte der deutsche Leitindex seine Verluste im Sog einer sich erholenden Wall Street allerdings noch deutlicher ein, so dass nur ein moderater Tagesverlust von 0,43 Prozent auf 19.884 Punkte an der Anzeigetafel der Frankfurter Börse stand. Auch die Marke von 20.000 Punkten kommt damit zumindest wieder in Sicht.

Trotzdem steht ein empfindlicher Wochenverlust von etwas über 2,5 Prozent zu Buche. Die Schwankungsbreite lag heute zwischen 19.649 und 19.924 Punkten.

Wer sich auf einen ruhigen Jahresausklang mit sicher geglaubten Börsengewinnen eingestellt habe, komme nun doch leicht ins Grübeln, sagte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets. Angesichts der Aussicht auf eine restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve hat der DAX in den Korrekturmodus geschaltet. Der MDAX der mittelgroßen Werte hielt sich besser und gewann 0,48 Prozent auf 25.549 Stellen.

Für den DAX war es nach dem jüngsten Rekord bei 20.522 Punkten gleichwohl der sechste Verlusttag in Folge. Vielleicht auch, weil heute großer Verfallstag an den Termin- und Derivatebörsen war, was stärkere Kursschwankungen begünstigt. Vom “großen Verfall” oder auch “vierfachen Verfall” sprechen Börsianer, wenn Futures und Optionen auf Indizes und einzelne Aktien am selben Tag verfallen. Dies ist stets an einem Quartalsmonat der Fall.

Im Börsenjargon wird der Tag auch “Hexensabbat” genannt. Die plötzliche Rückkehr des DAX unter 20.000 Punkte dürfte viele überrascht haben, hieß es am Markt.

An Heiligabend und den beiden Weihnachtsfeiertagen ist die Börse in Frankfurt geschlossen. Die Weihnachtswoche bietet am Montag und Freitag also lediglich zwei Handelstage. Entsprechend leer ist auch der Terminkalender – sowohl mit Blick auf Konjunkturdaten als auch auf Unternehmensnachrichten.

Auch am Devisenmarkt bleibt übergeordnet das Zinsthema bestimmend. Der zuletzt schwächelnde Euro legte gegen den Dollar bereits im europäischen Geschäft zu und handelte zuletzt im US-Handel bei 1,0428 Dollar, knapp ein Cent mehr als am Vortag.

Allerdings hält sich die Gemeinschaftswährung weiter in Nähe ihres Zwei-Jahres-Tiefs: Am Mittwoch war der Euro angesichts des erstarkenden Dollars bis auf 1,0346 Dollar gefallen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0390 (Donnerstag: 1,0395) Dollar fest.

Die steigende Risikoaversion der Anleger spiegelt sich auch am Kryptomarkt überdeutlich wider: Der Bitcoin-Kurs ist klar unter die Marke von 100.000 Dollar gefallen, aktuell wird die Cyberdevise bei gut 95.700 Dollar gehandelt. Bei Bitcoin gebe es bislang erst zwei Abwärtstage, betont Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. “Hier ist in den kommenden Tagen noch mehr Raum für Preisschwäche und Gewinnmitnahmen.”

Im DAX rückte die Aktie der Deutschen Bank in den Fokus, die am DAX-Ende stand. Dem Geldinstitut kommen Rechtsstreitigkeiten in Polen teuer zu stehen. “Wir haben das Eigenkapital der Deutsche Bank Polska um etwa 310 Millionen Euro erhöht, vor allem mit Blick auf laufende Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten”, teilte der deutsche Branchenprimus mit. Dem stehe eine entsprechende Rückstellung auf Konzernebene gegenüber.

Nach tagelangen harten Verhandlungen haben Volkswagen und die IG Metall ein Ergebnis im Tarifstreit erzielt. Wie die Gewerkschaft und das Unternehmen am Abend ausführten, ist eine unmittelbare Schließung von VW-Werken abgewendet, außerdem sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2030 ausgeschlossen.

Im Gegenzug sollen die Beschäftigten bis dahin aber auch auf sofortige Lohnerhöhungen verzichten. Außerdem sollen sozialverträglich in den kommenden Jahren 35.000 Jobs abgebaut werden. Zwar sei verhindert worden, dass “ganze Werke vom Netz genommen werden”, erklärte die IG Metall. Gleichwohl soll in zwei Werken die Produktion, wie sie jetzt gestaltet ist, auf längere Sicht eingestellt werde.

Die Tarifgespräche hatten am Montag begonnen. Ziel beider Seiten war es, noch vor Weihnachten zu einer Einigung zu gelangen. Die im DAX enthaltene VW-Vorzugsaktie, die bereits während des XETRA-Handels gegen den Trend 1,7 Prozent auf 88,80 Euro zugelegt hatte, legte nachbörslich weiter zu.

Der Lkw- und Bahn-Zulieferer Knorr-Bremse räumt sein Portfolio weiter auf: Das Unternehmen verkauft den US-Lenksysteme-Hersteller Sheppard an den Investor Balmoral RHS Acquisition, wie Knorr-Bremse am Abend mitteilte. Dadurch entstehe einmalig eine nicht zahlungswirksame und nicht operative Belastung des Nettogewinns von rund 60 Millionen Euro, was sich wiederum im vierten Quartal auf den Gewinn mit rund 0,37 Euro je Aktie auswirke.

Zusätzlich hat der Vorstand nach Konzernangaben die einmalige Wertberichtigung einer Forderung von knapp 50 Millionen Euro beschlossen, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kiepe Electric steht. Die Abschreibung sei nicht zahlungswirksam und stelle keine Belastung für das operative Ergebnis dar. Allerdings wirkt sich dies mit 0,31 Euro je Aktie belastend auf den Gewinn im vierten Quartal 2024 aus.

Knorr-Bremse hält an seiner Dividenden-Politik fest und bestätigt die operative Prognose für Umsatz, Ebit-Marge und Free Cashflow. Die Aktien des im MDAX gelisteten Unternehmens lagen im späten Handel rund ein Prozent im Plus.

Gut, aber nicht gut genug. Novo Nordisk-Aktien sind nach der Veröffentlichung neuer Studiendaten zum Adipositas-Mittel Cagrisema an der Kopenhagener Börse zwischenzeitlich bis zu 30 Prozent eingebrochen, zuletzt waren es noch gut 20 Prozent. Aktien des US-Konkurrenten Eli Lilly legten im Gegenzug zu.

In einer zulassungsrelevanten Studie zu Cagrisema wurden die primären Studienziele erreicht. Das Mittel der nächsten Generation – eine Kombination aus Cagrilintid und dem bereits zugelassenen Abnehm-Medikament Semaglutid – führte im Vergleich zu Placebo zu einem statistisch signifikanten und überlegenen Gewichtsverlust, wie das Unternehmen heute mitteilte.

Im Durchschnitt hätten Patienten im Zuge der Einnahme von Cagrisema nach 68 Wochen 22,7 Prozent ihres Gewichts verloren und damit deutlich mehr als die 2,3 Prozent mittlere Gewichtsreduktion in der Placebo-Gruppe, hieß es weiter. Auch sei mehr abgenommen worden als bei einer Einzelverabreichung von Cagrilintid oder Semaglutid.

Investoren an der Börse hatten sich allerdings noch mehr versprochen. Denn beides ist weniger als Novo Nordisk mit mindestens 25 Prozent Gewichtsabnahme in Aussicht gestellt hatte. Laut Analyst Peter Welford vom Investmenthaus Jefferies haben die meisten Investoren mit einer Gewichtsreduktion um durchschnittlich 25 bis 27 Prozent gerechnet.

Der Kunststoffkonzern Covestro muss nach der Übernahme durch Adnoc den DAX außerplanmäßig verlassen. Stattdessen rückt am 27. Dezember die Aktie von Fresenius Medical Care (FMC) in den deutschen Leitindex nach, wie die Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx mitteilte. Der Öl-Riese Adnoc aus Abu Dhabi hatte am Mittwoch bekanntgegeben, er habe sich über seine Tochter XRG gut 91 Prozent der Anteile an Covestro gesichert.

Für FMC rückt die Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen in den Nebenwerteindex MDAX nach. Der Wohnungskonzern erfüllt mit einem Streubesitz von zwölf Prozent das Kriterium für einen Index-Platz nur knapp. In den Kleinwerteindex SDAX kehrt zum 27. Dezember der Laser-Spezialist LPKF zurück.

Der Baumarktkonzern Hornbach Holding bekommt zum Jahresende die Zurückhaltung der Konsumenten zu spüren. Die Prognose für den Erlös wurde leicht reduziert. Der Umsatz für das Geschäftsjahr 2024/25 werde entsprechend der Entwicklungen im Verlauf der ersten neun Monate auf Vorjahresniveau (6,16 Mrd Euro) erwartet, teilte das im SDAX gelistete Unternehmen heute im pfälzischen Bornheim mit.

Zuvor wurde noch damit gerechnet, den Wert des vergangenen Geschäftsjahres leicht übertreffen zu können. Zudem haben Lohnerhöhungen den operativen Gewinn im dritten Quartal belastet, die Jahresprognose hierfür bestätigte Hornbach dennoch. An der Börse kamen die neuesten Nachrichten überhaupt nicht gut an: Die Aktie verlor prozentual zweistellig.

Nike auf dem Weg zur Trendwende?

Der zuletzt schwächelnde Sportartikel-Riese Nike ist mit dem neuen Chef Elliott Hill auf dem Weg der Besserung. Im vergangenen Quartal übertraf der Adidas-Rivale die Erwartungen der Analysten – auch wenn Umsatz und Gewinn im Jahresvergleich erneut deutlich zurückgingen. Der Gewinn fiel um 26 Prozent auf 1,16 Milliarden Dollar. Analysten rechnen damit, dass eine Trendwende einige Quartale dauern wird.

FedEx spaltet Frachtgeschäft ab

Der US-Logistikkonzern FedEx will sein Frachtgeschäft FedEx Freight abspalten und separat an die Börse bringen. Das Geschäft mit den größeren Frachten soll in den kommenden 18 Monaten eigenständig werden, wie das Unternehmen gestern nach US-Börsenschluss mitteilte. FedEx-Chef Raj Subramaniam hatte die Sparte im Juni auf den Prüfstand gestellt. An der Börse feiern die Anleger den Entschluss zunächst, im Verlauf gingen die Gewinne aber wieder verloren.

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